Dienstag, 8. Dezember 2015

Fall Break: Boston

Und wieder mal beginne ich diesen Eintrag mit einem schlechten Gewissen. Ich muss zugeben, dass ich zu mehr als einem Reisetagebuch wohl nicht im Stande wäre. So ein Blog verlangt ganz schön viel Aufmerksamkeit - Aufmerksamkeit, die ich nicht übrig zu haben scheine. Daher an alle, die regelmäßig hier vorbei schauen und enttäuscht werden, weil es nichts "Neues" gibt: Ich entschuldige mich aufrichtig für meine Bequemlichkeit! Ich könnte mehr schreiben, aber auf der anderen Seite möchte ich die (wenige) Zeit, die mir noch bleibt, voll und ganz nutzen. Denn ja es ist wahr.. in weniger als einem Monat werde ich schon wieder in Deutschland sein. Ich weiß gar nicht, ob ich lachen oder weinen soll. In den letzten Tagen hatte ich oft das Gefühl, dass es mir zu schnell geht. Die Zeit rennt. So viele Dinge, die ich noch machen wollte. So viele Events, die wir mit unserer "Gruppe" vor hatten. Und dann soll es in drei Wochen schon vorbei sein? Und dann werde ich manche von diesen wunderbaren Leuten vielleicht nie wieder sehen? Man nimmt sich natürlich vor, dass man sich noch einmal trifft. Wieder hier in Kanada, in Europa oder sonst wo auf der Welt. Aber sind wir ehrlich mit uns selbst, dann wissen wir: Mit jeder Minute in der uns der Alltag zu Hause wieder hat, entfernen wir uns von diesem Versprechen. Das habe ich nach meiner Australienreise erleben müssen. Aber ich nehme es mir trotzdem vor alle wieder zu sehen. Vielleicht klappt es ja doch. So viel zu den Gedanken, die mich hier in der Vorweihnachtszeit beschäftigen. Eigentlich soll es hier in diesem Post nämlich um etwas ganz anderes gehen. Meinen kleinen Ausflug in die USA und zwar nach: 

Boston. 

Vom 10. November bis zum 14. November habe ich das kleine und beschauliche Halifax hinter mir gelassen, um eine paar spannende Tage in Boston zu verbringen. Da wir in diesen Tage eine kleine Herbstpause von der Uni hatten, war natürlich klar, dass wir etwas unternehmen mussten. Gemeinsam mit Midschi und Svenja (Deutsch), Jenna(Kanada) und Dereka (Bahamas) habe ich mich Dienstagabend gegen 10 Uhr abends in unseren Mietwagen gekuschelt. Leider stellte sich heraus, dass unser Mietauto zwar genügend PS unter der Haube hatte, es aber mit fünf Leuten im Wagen recht gemütlich wurde. Aber egal - vor uns lagen über 10 Stunden Fahrt durch die Nacht. Und da ich Held meinen Führerschein in Deutschland liegen lassen habe, waren es anstatt der erwarteten vier Fahrer leider nur 3, die sich unterwegs abwechseln konnten. Das war tatsächlich einer dieser Momente, in denen ich meine Mama hören sagen haben:"Nicole, ich frage mich tatsächlich wie du so ein gutes Abitur haben kannst. Du bist so unorganisiert und chaotisch." Ganz ehrlich Mama, ich frag mich das auch oft genug. Naja, da ich nun nicht fahren konnte, war für mich klar, dass ich als Beifahrer alle Fahrer wach halten würde. (Dass man vorne natürlich auch mehr Platz und einen bequemeren Sitz hat, sei nur am Rande erwähnt). Mit gefühlten 5 Liter Kaffee intus verlassen wir also Halifax und unsere Fahrt Richtung dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten startet. Am Anfang ist die Vorfreudestimmung zu spüren. Lautes Singen, lachen usw. Aber nach den ersten 3 von 10 Stunden wird die Rückbank immer ruhiger und auch ich merke, dass es eine anstrengende Nacht wird. Der für mich schlimmste Teil ist gegen 3 Uhr morgens wach zu bleiben. Am liebsten würde ich meinen Kopf mal aus dem Fenster in den kalten Fahrtwind halten ... aber dann mache ich ja die anderen wach. Bis zur amerikanischen Grenze muss ich noch durch halten. Danach kann ich schlafen. An der Grenze angekommen, werden wir natürlich erstmal unter die Lupe genommen. Gefühlte 1000 Fragen, wie aus der Pistole geschossen, müssen wir beantworten. Wo kommt ihr her? Wo wollt ihr hin? Wie lange bleibt ihr dort? Wo wohnt ihr? Habt ihr etwas verbotenes dabei? ... Mein Gehirn um diese Uhrzeit noch richtig anzuwerfen scheint fast unmöglich - und wenn ich in die zerknitterten Gesichter meiner Mitfahrer schaue dann geht es Ihnen kaum anders. Doch irgendwann (nachdem unser Kofferraum überprüft wurde und wir einmal aus dem Auto aussteigen durften) sind wir durch die Grenzkontrolle und fahren tatsächlich auf amerikanischem Boden. Gut, dass von uns keiner eine Ahnung hat wie sich km/h zu miles verhält. Einfach mal darauf los fahren und hoffen nicht geblitzt zu werden, ist unsere Devise. Und ich darf endlich schlafen ... mehr oder weniger. In der Mitte der Rückbank lässt es sich nicht gerade wie in einem Luxusbett schlafen. Steifer Nacken und verkrampfte Beine begrüßen mich als ich in der Morgendämmerung nach circa 3 Stunden 'dösen' aufwache. Aber es ist nicht mehr weit bis zu unserem ersten Ziel. Ein Outlet auf dem Weg nach Boston. Adidas, Nike, Gap etc.. Alles was das Herz begehrt. Das hört sich doch super an. Nach einer langer Fahrt durch die Nacht erst einmal eine ausgedehnte Shoppingtour. Ich weiß auch nicht, wie wir auf die Idee kamen, dass das sinnvoll sein könnte. Egal. Viele Stunden später, um viel Geld ärmer und um viele Einkaufstüten reicher, frage ich mich wie ich diesen ersten Tagesabschnitt überhaupt überleben konnte. Ich vermute es war der Kaffee und vielleicht das ungesunde Mittagessen bei Mc Donalds. Während ich in Halifax wirklich viel Sport mache, habe ich mir für diese Reise vorgenommen darauf zu verzichten: Cheat Week! :) 
Nach unserem erfolgreichen Zwischenstop fahren wir weiter nach Boston. Ich sehe genau gar nichts von der Strecke, weil ich bis nach Boston komplett durchschlafe. Jenna, die bei Freunden in Boston wohnen wird, setzen wir ab und wir anderen 4 machen uns auf die Suche nach unserem Hostel, das direkt in der Innenstadt liegt. Nachdem wir ein Parkhaus gleich um die Ecke finden, heißt es nur noch einchecken, ein suuuuper leckeres Abendessen essen, ein Feierabendbierchen und ab ins Bett. Morgen soll es schließlich früh los gehen - wir wollen die Stadt erkunden. 

Unser Auto
An unserem ersten Tag in Boston wollen wir so viel wie möglich sehen. Nach ein besser als erwartetem Frühstück im Hostel brechen wir auf, um den Freedom Trail ab zu laufen. Der Trail ist ein geführter Weg durch die wichtigsten Touristenorte Boston's. Und er ist kostenlos! Eine Linie aus Kopfsteinpflaster verläuft durch ganz Boston und folgt man dieser führt sie zu den wichtigsten Orten. Wir machen uns auf den Weg und 3/4 des Weges spielt das Wetter mit. Wir sind den ganzen Tag unterwegs und sehen unglaublich viel. Ich bin absolut begeistert von Boston! Nicht nur das Stadtbild hat etwas besonderes, aber die Stadt ist unglaublich reich an Geschichte. Der Ort der Boston Tea Party von 1773, die Verhandlungen der Declaration of Independence .... das alles war hier in Boston. Darüber hinaus hat Boston eine ganz besondere Beziehung zu Halifax. Als in 1917 in Halifax eine Explosion mehr als 1900 das Leben kostete und die halbe Stadt in Schutt und Asche legte, war die Stadt Boston einer der wichtigsten Helfer, um Halifax wieder auf zu bauen. Noch heute schenkt Halifax jedes Jahr einen Weihnachtsbaum an Boston, um diese besondere Städtefreundschaft zu feiern. Hört sich hier ja fast schon nach Geschichtsunterricht an, aber ich habe so viel in Boston gelernt, dass ich gar nicht anders kann. Wir haben uns für 3$ eine kleine Broschüre gekauft, die uns an jedem Standort ein paar Informationen gibt. Midschi unser Tourguide verkündigt die Info's jedes Mal absolut seriös. Nach so viel Input gönnen wir uns eine wunderbare Mittagspause im Quincy Market. Hier gibt es so unglaublich viel Auswahl an Essen, dass wir ewig brauchen, um etwas auszuwählen. Für gibt es ein indisches Curry und für die anderen die traditionelle Fisch/Muschelsuppe aus Boston: Clam Chowder. Zu doof, dass ich keinen Fisch esse. Danach gehen wir in einen Christmasshop. So etwas habe ich noch nie im Leben gesehen. Ein Laden, der nur Weihnachtsdekoration verkauft. Der Laden platzt aus allen Nähten mit Weihnachtsbaumschmuck. Man kann sich wirklich alles an den Baum hängen (egal wie hässlich). Als wir am Nachmittag den letzten Abschnitt des Weges laufen, fängt es leider an zu nieseln.. aber wir ziehen den Trail bis zum Ende durch. Mit einer kleinen Fähre geht es zurück zur anderen Seite der Stadt und zurück ins Hostel. Eigentlich wollten wir heute Abend feiern gehen, aber da wir fix und fertig sind, wird es dann noch nur das ein oder andere Bier in einer Bar. 

The Freedom Trail










Christmasshop




 

Clam Chowder


Nach unser zweiten Nacht im Hostel heißt es schon auschecken. Wir werden zwar noch den gesamten Tag in Boston haben, aber gegen Abend schon nach Portland fahren und dort übernachten. An unserem zweiten Tag in Boston wollen wir uns die legendäre Havard University anschauen. Jeder kennt sie, jeder hat schon einmal von ihr gehört, und es wird gesagt, dass ein Abschluss von dieser Universität einen Spitzenjob garantiert. Und um ehrlich zu sein: wir sind sehr beeindruckt. Nach dem Frühstück machen wir uns auf mit der U-Bahn, um zum Hauptcampus der Uni zu fahren. Heute spielt das Wetter mit. Die Sonne scheint und wir freuen uns auf eine kostenlose Führung an der Havard. Die Führung wird von einer Studentin angeboten. Warum auch immer, aber wir waren davon überzeugt Studenten im Anzug zu sehen, oder zumindest zu sehen, dass hier die "reichen" Studenten unterwegs sind. Was wir sehen ist ein wunderschöner Campus mit Studenten im Unipulli und Jogginghose - wie ich und du. Trotzallem herrscht eine besondere Atmosphäre. Unsere Führung dauert ca. 1 Stunde und wir erfahren, dass ein Jahr an der Havard gerade mal 54,000 US$ kostet. Ist ja fast ein Schnäppchen, wenn man bedenkt, dass ein Lehrer für egal welche Sprache immer eingeflogen werden kann, wenn man es möchte. Man muss jedoch dazu sagen, dass über 50% der Studenten in irgendeiner Form finanziell unterstüzt werden. Als ich frage, ob Studenten bevorzugt werden, deren Eltern Geld haben bzw. selbst hier studiert haben, bekomme ich ein Lächeln und die Antwort, dass es natürlich nicht von Nachteil wäre. Unser Tourguide zerstört leider auch eine unserer Illusionen. Immer wenn wir einen Film gesehen haben, in dem behauptet wird es wäre der Havard Campus...es war nie der Havard Campus. Seit den 1970ern hat Havard Filmaufnahmen auf dem Campus verboten. Während der Führung fängt man an zu träumen. Lässt man die Unmöglichkeit allein schon wegen des Geldes mal beiseite: wie genial muss es sein hier studieren zu können? Mit all den Möglichkeiten, den Verbindungen, dem Netzwerk. Man darf ja mal träumen. Den Rückweg laufen wir komplett zurück zur Stadt und werden leider von einem Regenschauer überrascht. Aber direkt darauf sehen wir einen wunderschönen Regenbogen über Boston. Am MIT (Massachusetts Institute of Technology) laufen wir auch noch vorbei. Man hat manchmal das Gefühl hier in Boston mit Bildung überschüttet zu werden. Nachdem wir uns noch einmal einen richtigen Burger schmecken lassen (muss ja irgendwie sein in den USA), holen wir Jenna ab. Sie hat sich gemeinsam mit einer Freundin ein Basketballspiel angeschaut. Gegen 22 Uhr brechen wir dann Richtung Portland auf. Bye bye Boston - es war wirklich schön! 















Portland.
Gegen 1 Uhr morgens kommen wir in Portland an. Ich habe mal wieder nich all zu viel von unserer Fahrt mitbekommen. Irgendwie schlafe ich immer sofort ein, wenn sich das Auto in Bewegung setzt. Nachdem wir erstmal unser Hotel verzweifelt suchen, können wir endlich einchecken. Das Hotel war ein Angebot und sieht super aus. Für 5 Personen zahlen wir 150€ die Nacht und haben am Morgen ein ausgezeichntes Frühstück (mit Waffeln und Bacon) inklusive. Als wir endlich in unser Zimmer kommen, wollen wir nur noch schlafen. Aber leider ist das nicht sofort möglich. Unsere Nachbarn, bzw. die Menschen im Zimmer über uns, sind außer Rand und Band. Keine Ahnung was die dort treiben. Es hört sich nach Streit an, nach Gewalt, nach Party, nach Kampf .. nach allem. Zwischendurch machen wir Witze, dass sie wohl das Lavaspiel spielen (der Boden ist Lava und darf nicht berührt werden). Irgendwann ist von unser Belustigung nicht mehr viel übrig .. gegen 2 Uhr Morgens ist man dann doch eher müde. Ich rufe an der Rezeption an und beschwere mich. Habe ich übrigens auch noch nie in meinem Leben gemacht. Uns wird gesagt, dass jemand unsere Nachbarn freundlich um Ruhe bitten wird. Nach ca. 20 Minuten hört das "Knallen" auf. Es klopft an unserer Tür und die Dame von der Rezeption entschuldigt sich für die Störung. Als ich frage, was diese Leute veranstaltet haben, lächelt sie nur und sagt, dass sie etwas zu zügellos gespielt hätten. Naja daran hatten wir bei den Geräuschen wirklich nicht gedacht. Aber wir können endlich schlafen. Zumg Glück. Am nächsten Morgen lassen wir uns das Frühstück schmecken und schlendern für wenige Stunden noch durch Portland. Es ist bitter kalt trotz Sonnenschein. Wir entscheiden uns Portland schon gegen 15 Uhr zu verlassen und den Heimweg anzutreten. Auf der Rückffahrt drehen wir zwischenzeitlich noch einmal richtig auf. Die Backstreet Boys und die Spice Girls schaffen es einfach immer wieder. Ich bleibe den ersten Teil der Fahrt tatsächlich komplett wach (!!) und verschlafe dann aber doch unsere Ankunft an der Saint Mary's. Nach 8 Stunden Fahrt tut uns alles weh. Gegen 2 Uhr nachts verabschieden wir uns in der Lobby und ich freue mich unendlich auf mein Bett. Bis ich in meinem Zimmer bemerke, dass ich nicht meinen Koffer, sondern Midschi's Koffer migenommen habe. Wir haben uns den selben Handgepäckskoffer gekauft und das rächt sich jetzt. Also darf ich gegen halb 3 nocheinmal durch die gesamte Residence laufen und Koffer tauschen. Dann geht es aber wirklich - mit dem richtigen Koffer - zurück zu meinem Zimmer, Zähne putzen und ab ins Bett. 
Es war ein genialer Kurztrip, eine super Reisegruppe und hat sich (trotz Rückenschmerzen von der Fahrt) mehr als gelohnt! Leider heißt es dann ab Montag wieder ... Unialltag.