Sonntag, 20. Dezember 2015

Ottawa


Das Flugzeug senkt sich immer weiter dem Boden entgegen. Unter uns werden Wohngebiete sichtbar, die Vorstädte Ottawas. Völlig übermüdet versuchen wir zu begreifen, dass unsere kleine Reise jetzt endlich los gehen kann und wir unser Auslandssemester hoffentlich mit ein paar wunderbaren letzten Tagen abschließen. Vom Airport in Ottawas Stadtzentrum sind es gerade mal 30 Minuten mit dem öffentlichen Bus. Das ist nicht nur günstig, sondern gibt uns die Möglichkeit uns ein wenig auszuruhen. Unser Hostel liegt nur wenige Gehminuten von der Haltestelle und wir sind mehr als froh, als wir früher als erwartet einchecken können und dann auch noch kostenfrei ein Upgrade erhalten (vom 6er Schlafsaal in einen 4er Zimmer). Eingecheckt haben wir in kein gewöhnliches Hostel. Nein, die nächsten beiden Nächte werden wir in einem ehmaligen Gefägnis übernachten. Schon beim Eintreten sehen wir die schweren Gittertüren und die Stahltreppen. In unserem Zimmer wohnt gemeinsam mit uns eine Koreanerin, die sehr nett ist. Wir sind uns zwar nicht immer sicher was genau sie uns sagen möchte, aber sie schenkt uns sogar zwei koreanische Taschenwärmer. Die können wir auch sehr gut gebrauchen. Es ist deutlich kälter geworden. Inzwischen haben wir nur noch um die 0 Grad. Für Kanadier zwar fast noch "Kurze-Hosen-Wetter", aber uns ist wirklich richtig kalt. Wir erlauben uns keine Pause, kein Nickerchen. Legen wir uns jetzt schlafen, dann stehen wir vor Morgen nicht mehr auf. Außerdem treibt uns der Hunger aus dem Hostel und in die Straßen Ottawas. Eigentlich sind wir auf der Suche nach einem kleinen Bistro für ein Mittagessen. Irgendwie landen wir dann doch in einen Frühstücksbistro und essen das gefühlt beste Frühstück unseres Lebens nachmittags um 14 Uhr. Nachdem wir uns gestärkt haben, wollen wir noch zu einem See außerhalb der Stadt fahren. Wir haben uns ein Tagesticket für den Bus gekauft und müssen dieses ja auch irgendwie nutzen. Der See stellt sich leider als nicht besonders schön heraus. Wir reden uns aber ein, dass ein kleiner Spaziergang gut für die Verdauung ist und uns wach hält. Als es dann aber anfängt zu regnen, wollen wir nichts anderes mehr als in unser Bett. Es ist aber noch viel zu früh. Also zwingen wir uns durch das große Einkaufszentrum zu wandeln. Hier ist es wenigstens warm. Wir wandeln durch die Gegend wie halbtote Zombies. Nutzen jeden Sitzgelegenheit in jedem Laden und kaufen am Ende nichts. Nicht einmal mehr genug Energie ist übrig, um richtig zu Abend zu essen. Und das soll schon etwas heißen. Um 8 Uhr abends liege ich in meinem (großen!!) Hostelbett und bin nach wenigen Minuten eingeschlafen. Ich schlafe an die 12 Stunden bis wir am nächsten Morgen aufwachen und uns erstmal sortieren müssen. Ok. Wir sind in Ottawa. Wir lassen uns das wirklich gute Frühstück im Hostel schmecken und kurz danach gehen wir in die Lobby, um an der Führung durch unser Hostel teilzunehmen. Jeden Morgen bietet das Hostel eine kostenlose Führung durch die erhaltenen Teile des alten Gefängnisses an. Die Tour ist viel spannender als erwartet. Unser Guide nimmt sich wirklich viel Zeit für uns und unsere Fragen. Zeigt uns die verschiedenen Zellen, die teilweise inzwischen Hostelzimmer sind. Sie zeigt uns die Strafzelle für die Gefangenen, die mehere Tage mit dem Gesicht zum Boden nackt im Dunklen liegen mussten, wenn sie sich falsch verhielten. Sie erzählt uns das viele Gefangene der Willkür der Wächter ausgeliefert waren. Sie erzählt uns, dass Kinder mit ihren Eltern im Gefängnis waren und wie früher die absurdesten Gründe zu einer Festnahme führen konnten. Als sie uns im Dunkel einer Zelle erklärt, dass dies der Ort für die Todeskanidaten war, wird uns etwas flau. In diesem Raum waren Menschen, die Tage manchmal Jahre auf ihren Tod gewartet haben. Jeden Tag konnte es soweit sein. Als sie uns dann noch "Gruselgeschichten" erzählt, z.Bsp. dass in Fotos von den Zellen aus dem Nichts Personen auftauchten und die Überwachungskameras nur dort nie länger als 5 Minuten funktionierten, haben wir tatsächlich Gänsehaut. Vorallem weil es danach direkt zu der Stelle geht an der Leute öffentlich gehängt wurde. Eine Klappe, die sich im Boden öffnet und dann den Körper herab fallen lässt. Alles sehr spannend, aber in vielerlei Hinsicht auch etwas unheimlich. Aber eine wirklich tolle Führung! Danach geht es direkt weiter mit unserem Kulturprogramm. Wir gehen in das kanadische Zivilisationsmuseum und verbringen dort fast den gesamten Nachmittag. Das Museum stellt die Geschichte der indianischen Bevölkerung, die noch heute in vielen Reservaten lebt, dar. Auch die Problematik der Boarding Schools und des gestohlenen Landes werden nicht ausgelassen. Nach unserem Museumsausflug wollen wir uns Ottawa's Basillica anschauen. Da diese in weniger als 30 Minuten bereits zu schließen droht, stürmen wir mehr oder weniger in die Kirchen. Mitten in einen Gottesdienst. Sehr, sehr peinlich berührt treten wir in Zeitlupe den Rückweg an. Upps, wir wollten nicht stören - wirklich nicht! Wir nutzen dem Abend noch, um uns das Regierungsviertel Ottawas anzuschauen und haben das Glück eine beeindruckende Lichtshow diret am Parliamenthill bestaunen zu können! Da uns aber mehr als nur kalt ist (und Midschi immer noch verzweifelt auf der Suche nach einer Winterjacke ist), gehen wir nur noch schnell etwas einkaufen und machen uns super leckere Süßkartoffelecken mit Salat und Früchtequark. Es fühlt sich fantastisch an mal wieder Gesundes zu essen. Wir fallen völlig erschöpft ins Bett und freuen uns schon Morgen unser Auto abzuholen und dann Richtung Quebec auf zu brechen. Ottawa ist eine sehr sehenswerte Stadt, doch mehr als 2 Tage mit schmalen Geldbeutel lässt sich eine Stadt nicht ganz ausnutzen.